Was ist Karate?
Karate ist eine Kampfkunst, welche ohne Waffen ausgeführt wird. Alle Techniken werden mit absoluter Kontrolle und Spannkraft ausgeführt. Dabei ist das oberste Gebot, den Trainingspartner nicht zu verletzen. Schlag-, Stoss- und Tritt-Techniken sowie Hebel und Würfe gehören zum Karate-Repertoire.
Gōjū-Ryū („harter und weicher Stil“) ist ein Karate-Stil mit lang zurückreichender Tradition, der besonders viele Elemente des ursprünglichen chinesischen Boxens des 17. bis 19. Jahrhunderts enthält. Der Name Gōjū-Ryū wurde von Chōjun Miyagi Foto (1888–1953) gewählt. Miyagi bezog sich bei der Auswahl des Stilnamens auf das lange Zeit geheim gehaltene Bubishi, in dem eine der „Acht Regeln des Faustkampfes“ (拳法之大要八句 kenpō no taiyō hakku) da lautet: „Alles im Universum atmet hart und weich“ (法剛柔呑吐 hō gōjū donto).In der Zeit der Drei Königreiche (Sanzan Jidai) kämpften drei Feudalfürsten (Anji) um die Macht in Okinawa, wobei die üblichen militärischen Mittel, Maßnahmen, Taktiken und Strategien zum Einsatz kamen, also Waffengebrauch, Reiten, Befestigungsbau usw. Während es in Okinawas Frühzeit entsprechend militärische Auseinandersetzungen gab, wurde 1429 ein Verbot des Waffenbesitzesfür die gesamte Bevölkerung verhängt. Der Waffenbesitz wurde mittels staatlicher Bevorratung gesteuert und durch harte Strafen sanktioniert.
Als handelsstrategischer Partner des damals in Asien kulturell herrschenden chinesischen Reiches kam Okinawa über die maritimenHandelsrouten mit zahlreichen Ländern Asiens in Kontakt. Im 15. Jahrhundert entsandte China dem König von Ryūkyū ein komplettes „Kulturbüro“, die so genannten 36 Familien (Sanjuroku Sei), die sich in dem zu Naha gehörenden Dorf Kume niederließen. Sie stammten aus der südchinesischen Provinz Fujian und ursprünglich handelte es sich bei ihnen um Schiffshandwerker und Navigatoren, die den Tributverkehr zwischen China und Ryūkyū unterstützen sollten. Später kümmerten sich die Mitglieder dieser Kommune um alle möglichen Verwaltungs-, Handels-, Kulturfragen (inklusive Technik) und Sicherheitsfragen und brachten erstmals systematisch Kenntnisse über chinesisches Quánfǎ (Kung Fu) nach Okinawa. Kume war für Ryūkyū Jahrhunderte lang das Fenster zur chinesischen Kultur.
1609 wurden das militärisch unbedarfte Königreich Ryūkyū vom Shimazu aus Satsuma, Kyūshū erobert. Alle Funktionen des Königreiches, wie der Königshof in Shuri, die 36 Familien sowie die Tributbeziehung mit China liefen jedoch weiter, was für die Entwicklung des Karate entscheidend war. Auch das Waffenverbot wurde von den Shimazu erneuert.
Auf Okinawa existierte ein einheimisches Kampfsystem, welches Te 手 genannt wurde und anhand schriftlicher Quellen erstmals im 17. Jahrhundert nachgewiesen werden kann: Teijunsoku Oyakata (1663–1734) war Stadtoberhaupt der Stadt Nago und konfuzianischer Gelehrter. Er schrieb etwa um 1700:
Unabhängig davon, wie du dich vielleicht in der Kunst des Te auszeichnen magst, oder in deinem akademischen Streben…; nichts ist wichtiger als dein Verhalten und deine Menschlichkeit und wie du diesen im täglichen Leben folgst.
Te bedeutet wörtlich „Hand“, bedeutet hier jedoch so viel wie Kampfmethode. Im Dialekt von Okinawa wird dieser Begriff noch heute als Dī ディイ (mit langem i) ausgesprochen. Inhaltlich kann er mit dem japanischen Jutsu 術 verglichen werden.
Eine erste Systematisierung findet sich in dem Tōde 唐手 genannten Kampfsystem direkter kontinentaler Abstammung, welches etwa ab dem 17. Jahrhundert in zunehmendem Maße nachweisbar hauptsächlich von China aus nach Okinawa übertragen wurde.
Etwa 1683: der chinesische Gesandte Wanshu lehrt in Okinawa Quánfǎ.
Etwa 1760: der chinesische Militärattaché Kūsankū unterrichtet in Okinawa wenigstens einen Schüler, Chatan Yara.
„Tōde“ Sakugawa Kanga lebte im 18./19. Jahrhundert. Sein überlieferter Spitzname „Tōde“ ist ein Beweis für die Synthese des Te mit dem Quánfǎ.
19. Jahrhundert: Übertragung des Bubishi nach Okinawa beginnt; Einfluss der südchinesischen Stile des 17. bis 19. Jahrhunderts. (Das Dokument Bubishi gilt als Beweis für die Übertragung des chinesischen Boxens nach Okinawa. Es ist das einzig bekannte Dokument dieser Art und diesen Umfangs, und es handelt von chinesischen Box-Stilen, aus denen die Kata des Gōju-ryū stammten (Weißer Kranich und Arhat-Boxen))
Chōjun Miyagi schrieb in seinem 1934 erschienenen Zeitungsartikel Ein Überblick über das Karate-do: „Eine Stilrichtung des Kungfu wurde 1828 von Fuzhou nach Okinawa gebracht und diente als Quelle und Inspiration für das Gōjū-ryū Karate Kempō“. Bis heute ist nicht klar, wen oder was er damit meinte.
Tōde 唐手 kann verschiedentlich interpretiert werden. Te heißt zwar wörtlich „Hand“, beschreibt hier aber im Prinzip eine Kampfmethode. So bedeutet Tōde 唐手 so viel wie „chinesische Kampfmethode“ oder „fremdländische Kampfmethode“. (Tō 唐 ist die (chinesische) Tang-Dynastie, bedeutet aber auch einfach China oder „fremdländisch“).
Andere südostasiatische Einflüsse gelten als sehr wahrscheinlich.
Verantwortlich für die Entwicklung des späteren Karate waren die oft beamteten Funktionen innerhalb des Rangsystems des Königreichs. Die Funktionen dieser Ränge reichten vom Straßenpolizisten über Dorfvorsteher und Sicherheitspersonal für Burganlagen oder Tributschiffe bis hin zu hohen Ministern, Fürsten und Prinzen. Anhand der Titel der wichtigsten Protagonisten der okinawesischen Kampfkunst aus der Zeit des Ryūkyū-Königreiches lässt sich einwandfrei nachweisen, dass es sich um Personen von Rang handelte.
Ränge im Ryūkyū-Königreich (aufsteigend geordnet)
Okinawa/Japan ist der Geburtsort von Karate